In dem Moment, in dem du in dein Wohnmobil oder Camper steigst, wird alles gut. Du fährst los und all deine Probleme lösen sich in Luft auf und Konflikte im Wohnmobil gibt es sowieso nicht. Die Sonne scheint dir ab jetzt selbstverständlich aus dem Arsch.
So oder so ähnlich könnte man meinen, dass der Reisealltag im Wohnmobil – auch mit Kindern -, sein müsste, schaut man sich in den Sozialen Medien wie Instagram & Co. um. Strahlende Gesichter, Sonne, Strand, Palmen und glückliche Kinder. Alles läuft reibungslos, alle entwickeln sich prächtig.
Was aber hinter diesen häufigen Darstellungen wirklich abläuft, darum soll es nun gehen:
Keine Konflikte im Wohnmobil? Falsche Vorstellungen durch Instagram, die „Fake-Welt“?
Bei einigen Menschen entwickelt sich aufgrund der Positivität vieler Inhalte eine Aversion (Abneigung) gegen Instagram. Weil Instagram eine „Fake-Welt“ sei, wo alles nur dargestellt und unecht sei. Auf so manchen Account mag das zutreffen, doch das sind aus meiner Sicht die wenigsten. Denn das Problem ist nicht Instagram selbst.
Instagram hatte nie Absicht eine Kopie der realen Welt abzubilden mit all ihrem Konfliktpotenzial. Denn Fun Fact: Instagram war ursprünglich ein Treffpunkt für Bourbontrinker und hieß „Burbn“. Doch diese Geschichte wird an anderer Stelle erzählt. Instagram entwickelte sich zu einer Plattform, auf der die Menschen Momente ihres Lebens in Foto und mittlerweile auch Videoform teilen. Aber auch, wo Unternehmer ihre Dienste anbieten und anderen mit neuem Input helfen wollen, Lösungen für Probleme zu finden.
Mach dir also als allererstes richtig bewusst, dass es noch mehr Leben gibt in einem Familienalltag, als den Teil, den du bei Instagram von einer Familie siehst. Überall, wo es Lachen, Glück und Sonnenschein gibt, gibt es auch Tränen, Verzweiflung und Regen. Genau deshalb gibt es auch bei jeder Reisefamilie, die in die Kamera strahlt, Konflikte im Wohnmobil.
Instagram als echtes Abbild des Alltags?
Wäre Instagram nun aber bei vielen Familien ein Abbild ihren ganz realen Alltags, wäre das schon befremdlich. Warum? Ich zumindest würde mich fragen, wer denn das weinende, verzweifelte, wütende Kind auffängt, wenn man grad beschäftigt ist, es zu fotografieren, um die nächste Insta-Story noch anschaulicher zu gestalten? Für mich ist es ein positives Zeichen, keine Wutanfälle von fremden Kindern in den Sozialen Medien zu sehen, weil ich so wenigstens den Eindruck habe, dass man sich während der instafreien Zeit um das Kind kümmert und nicht die Kamera drauf hält. Ein aus meiner Sicht großer Punkt, warum man so wenig Konflikte im Wohnmobil auf Instagram sieht. Denn Instagram ist nicht das Leben.
Erzählungen zu hektischen Alltagen, miesen Übernachtungsspots, Küchenchaos und ähnliches, findet sich auf fast jedem Account in den Stories, dem wir folgen. The Real Vanlife existiert: Achte mal drauf. 😉
Mein ganz persönlicher Blick auf Instagram
Ich nutze Instagram, um mich inspirieren zu lassen, neue Orte zu entdecken und mit anderen reiselustigen Menschen auszutauschen. Wenn ich mir dort jeden Tag ansehen müsste, wie schlecht es XY geht und wie schlimm alles grad ist, würde ich sehr viel seltener diese Plattform betreten.
Ich umgebe mich bewusst auch nicht gern im Real Life mit Menschen, die überall Probleme sehen, sowieso alles kacke finden und täglich über nichts anderes sprechen, als darüber, wie übel ihnen das Leben mitspielt und wie gut es alle anderen haben. (Nicht verwechseln: Ich helfe gerne Menschen ihre Probleme zu lösen, doch Bock aufs Lösen der Probleme müssen sie selbst mitbringen!)
Es würde mir auf Dauer sehr schwer fallen, mich nicht von den fremden, schweren Gedanken und Konflikten runterziehen zu lassen. Das ist für mich wie Nachrichten schauen. Nur Not und Übel zu sehen. Danach fühle ich mich hoffnungslos, ziellos und sinnlos.
Das neue Leben beginnt – Einzug ins Wohnmobil
Inspiriert wurde dieser Beitrag durch einen Post auf Facebook. Eine Mama schrieb sich von der Seele, dass ihnen so gar nicht die Sonne aus dem Hintern scheint, während auf Instagram alles fröhlich am Strand chillt. Viele Familien reagierten darauf und waren sich einig, dass die Online-Welt eben nicht kein reales Abbild des echten Lebens ist, Konflikte im Wohnmobil absolut normal sind und dass es etwas braucht, um sich in das neue Leben einzugewöhnen.
Gib dir Zeit anzukommen
Wieviel Zeit benötigt denn das Ankommen im Wohnmobil? Die Frage lässt sich vermutlich individuell ganz unterschiedlich beantworten, doch im Großen und Ganzen scheinen 3-4 Monate ein häufig genannter Zeitraum zu sein. Interessanterweise auch oft der Zeitraum, den eine Familie benötigt, wenn aus einem Kind zwei werden oder aus einem Paar eine Familie oder auch ein Umzug in eine neue Stadt, um wieder besser klarzukommen. Ist dir das mal aufgefallen? 😉
Dein Umzug ins Wohnmobil ist eine Krise
Richtig gelesen: Du wählst eine Krise, wenn du ins Wohnmobil ziehst. Eine Krise für dein Gehirn. Die entsteht immer, wenn sich grundlegende Dinge verändern, auf die dein Gehirn sicher eingestellt war und die nun einfach nicht mehr gegeben sind. Das passiert eben auch bei Umzügen oder in noch größerem Stil bei Familiengründung, Schwangerschaft usw. Die Folge daraus: Konflikte. Deinem Gehirn ist es egal, ob in einem Haus oder im Wohnmobil. Konflikte im Wohnmobil nimmt es auf die gleiche Art wie in einem Haus. Erstmal!
Diese Krisen in verschiedenen Intensitäten kennst du sicher auch von deinen Kindern. Kindergehirne üben diese Krisen auch schon ganz früh, wenn du ihnen nicht den Becher mit der richtigen Farbe gibst. Der Körper nimmt Durst wahr und gleichzeitig taucht eine Vorstellung des Bechers auf, aus dem das Getränk kommen soll oder das letzte Mal kam oder das erste Mal kam etc. Als Eltern wissen wir nicht, welche Farbe sich das Kind vorgestellt hat. Das Kind allerdings schon. Und da es noch nicht weiß, dass du nicht automatisch alles genauso siehst und weißt, wie es selbst, sagt es dir die Farbe nicht unbedingt von selbst. 😀
Ich glaube, wir alle kennen diese Situation und wollten schon so manches Mal an ihr verzweifeln, wenn das Gehirn des Kindes nun einen Plan bzw. eine Vorstellung hatte und dieser Plan im Kopf einfach nicht aufgeht, weil die Becherfarbe eine falsche ist. Genau solche Krisen durchleben wir als Erwachsene nun auch, doch haben wir andere Strategien entwickelt, damit umzugehen und das ganze läuft wesentlich subtiler und leiser ab. Trotz allem, kann es uns gerade am Anfang megamäßig stressen.
Übersetzt auf deine Konflikte im Wohnmobil bedeutet das, dass du dich in deiner neuen Welt erstmal zurechtfinden musst.
5 Krisen, die du überwältigen musst für weniger Konflikte im Wohnmobil:
Krise Nr. 1: Wie funktioniert alles?
Du musst plötzlich an deine Wasserversorgung denken. Viel häufiger als im Leben in einem Haus, in dem dein Wasser höchstwahrscheinlich automatisch aus der Wand kam. Höchstens die Jahresabschlussrechnung hat dich daran erinnert. Ähnliches gilt für Strom. Wird der Strom der Solaranlage reichen? Wo kann ich uns an die nächste Steckdose schließen? Und überhaupt: Wo schlafen wir heute? Finden wir einen schönen Platz? Dürfen wir hier bleiben? Campingplatz oder Freistehen? An all diese neue Themen musst du dich erst gewöhnen und sie in deinen Alltag integrieren. Dieser Mehraufwand kann zu Zeitmangel führen, was wiederum zum Konflikt im Wohnmobil führen mag, weil keiner mehr weiß, wo einem der Kopf steht.
Krise Nr. 2: Wo treffen wir andere Kinder?
Du suchst aktiv nach Spielkontakten für deine Kinder, denn die üblichen Nachbarskinder oder Schulfreunde sind nicht mehr da und die neuen findest du noch nicht. Schau mal in unsere Listen an Freilernerfamilien und Freilernertreffen! Und vielleicht magst du auch zum direkten Vernetzen in unsere „Freilerner unterwegs“-Telegram Themengruppe kommen? Schreibe mir dazu einfach eine Nachricht (@Vagabundenliebe). Auch diese Thematik kann Konflikte im Wohnmobil provozieren. Manchmal sind es aber wir Eltern, die dem Thema mehr Gewicht geben als unsere Kinder selbst. Wie ich das meine? Das erkläre ich in ein paar Tagen in einem weiteren Artikel.
Krise Nr. 3: Wieso kann ich nicht mehr „weglaufen“?
Deine ganze Lebenssituation ist neu und das dazu auf engem Raum, wo du nicht einfach eine Tür hinter dir zuschmeißen kannst und deine Ruhe hast. Du bist nun gezwungen dich deinen Konflikten IM Wohnmobil zu stellen. In einem Alltag in einem Haus mit mehreren Räumen, womöglich auch noch viele Stunden außer Haus getrennt von deinen Kindern und möglicherweise Partner, hast du ganz andere Konfliktstrategien verinnerlicht, die dich hier und jetzt nicht mehr weiterführen. Im Gegenteil: Hier, in deinem neuen Umfeld, wo du Kids und Partner 24/7 um dich hast, bringen sie das Fass zum Explodieren. Übrigens einer der tollsten Gründe für’s Reisen, weil der stetige Wandel, die Veränderung, wie ein Katalysator für dein persönliches Wachstum wirkt. Wenn du es zulässt.
Krise Nr. 4: Wo bleib ich?
Du nimmst unterwegs viel mehr Reize auf durch sich immer verändernde Situationen, Orte, Menschen um dich herum. Du bekommst einen Haufen Input und der will erstmal verarbeitet werden. Gerade zu Beginn neigen viele Familien dazu, zu schnell zu reisen. Uns erging zumindest so und wir hören es oft von vielen anderen. Konflikte im Wohnmobil waren so vorprogrammiert, weil wir uns nicht die Zeit zum Verweilen und Ausruhen gaben. Wir hatten noch nicht verinnerlicht, dass wir jetzt so leben und nicht irgendwo „ankommen“ müssen. Dass jetzt tatsächlich der Weg unser Ziel ist. Einfach mal an einem Ort zu bleiben für mehr als 1-2 Nächte und das Erlebte der letzten Tage sacken zu lassen, mussten wir erst üben.
Krise Nr. 5: Wieso lernt das Kind nicht?
Wenn du Kinder im schulpflichtigen Alter dabei hast, die aber keiner Schulpflicht in Deutschland unterliegen, weil ihr ausgewandert seid, dann ist vielleicht auch diese Situation neu für dich.
Vielleicht möchtest du sie selbst unterrichten und merkst, dass es was ganz anderes ist, wenn du anstelle einer Lehrkraft deinem Kind viele Vorgaben machst und es arbeitet nicht wie vorgestellt mit? Hier findet sich sicherlich noch ganz viel Konfliktpotenzial für viele unschöne Stunden im Wohnmobil. Genau deshalb mag ich dir Majka von der Reisefamilie Yafekama vorstellen, die als Ex-Lehrerin einen bedürfnisorientierten Weg zwischen Lehrplänen und Freilernen verfolgt und auch deiner Familie passende Möglichkeiten für euch aufzeigen kann.
Verfolgst du den Weg des Freilernens, dann steckt ihr alle vielleicht auch grad noch in der Deschoolingphase. Diese Phase ist ein möglicherweise anstrengender Prozess und fast schon ein Garant für Konflikte im Wohnmobil, der aber bitternötig ist, um erfolgreich freilernen zu können. Was es mit dem Deschooling auf sich hat, das liest du hier: Deschooling – Essentieller Prozess auf dem Weg zum Freilernen
Und dein ganz normaler Alltag
Dass die erste Zeit im Wohnmobil so manchen ganz schön schlauchen kann, kannst du dir nun sicher gut vorstellen. Das geballte Konfliktpotenzial kommt auf einmal auf dich eingeströmt – zusätzlich zu deinem sonstigen Alltag, den Entwicklungsphasen deiner Kinder und weiteren Sorgen, die du vielleicht grad hast.
Deine Kinder kommen ja trotzdem in die Pubertät oder die Wackelzahnpubertät oder in die Autonomiephase oder tun sich weh oder oder oder. Ob im Haus oder im Wohnmobil. Auch deine Sorgen nimmst du immer mit, egal, wohin du gehst, außer du löst sie auf.
Fazit
Das Vanlife, das Leben im Wohnmobil, ist aus unserer Sicht definitiv nicht geeignet, um vor irgendwas zu fliehen. Wenn du aber Bock hast auf Wandel, nicht nur äußerlich durch neue Orte, neue Menschen, neue Landschaften, neue Erfahrungen, sondern ganz besonders auch innerlich, dann ist es das Beste, das dir wohl passieren kann und du überstehst die ersten Monate unterwegs mit Leichtigkeit (rückwirkend betrachtet 😉 ).
Gönn‘ dir Pausen, bleib‘ einfach mal länger an einem Ort, gesteh dir ein, dass es viele Phasen/Situationen auch im Haus gegeben hätte, atme tief durch und weiter geht’s. Denn es geht immer weiter.
Wie erlebst du die erste Zeit auf Reisen? Wir sind ganz gespannt, ob du auch einige dieser Krisen zu bewältigen hast oder hattest und freuen uns auf deine Worte in den Kommentaren. Vielleicht magst du auch damit der einen oder anderen Familie neuen Mut!
Wow, super gut beschrieben. Kann ich nach 7 Monaten van life mit 3 Kindern/Teenies genau so unterschreiben und noch den Hinweis geben: wichtig ist die eigene Kreativität und Gespür für die eigenen Bedürfnisse. Gerade insta präsentiert uns so tolle Vorlagen, Orte, Mahlzeiten etc. Es braucht alles „nur nachgemacht“ zu werden und dann merkt man, dass nicht das rauskommt, nach was es auf dem Foto aussah. Deshalb offen bleiben und den eigenen Weg finden!
Absolut, das hast du wirklich super schön gesagt!