„Ich zieh’ ins Wohnmobil, mir scheint die Sonne aus dem Arsch! Jetzt wird endlich alles gut.“ Ja okay, es wird schon ganz geil werden. Vermutlich weißt du längst um all die Vorteile des Vanlife, die überall und ganz besonders bei Instagram & Co. gezeigt werden. Doch über die Nachteile des Vanlife, die echt nerven können, spricht kaum wer.
Deshalb heute etwas Real Talk über einen Haufen Nachteile beim Vanlife bzw. Leben im Wohnmobil.
Nachteil Nr. 1: Begrenzter Raum
Damit hast du jetzt nicht gerechnet, ne? 😀 Ja, okay, ich geb zu, das ist wirklich sehr naheliegend.
Was aber so ein enger Raum mit sich bringt und was häufig unterschätzt wird, ist das Konfliktpotenzial. Gerade zu Beginn musst du mit vermehrten Konflikten rechnen, denn nicht alle deine alten Streitvermeidungsstrategien funktionieren jetzt noch, wenn du nicht mal eben eine Tür und viel Abstand zwischen dich und deine Familie bringen kannst. Es gibt keine “ruhige Ecke” und nur in wenigen Campern und Wohnmobilen mal eine Schiebetür für die optische (aber nicht akustische) Abgrenzung.
Bei uns hat es circa 4 Monate gedauert, bis die erste Konfliktwelle abgeebbt ist. Von anderen Familien wird uns ähnliches berichtet mit von 2 bis 9 Monaten intensiver Zeit.
Lese-Tipp: Die 10 häufigsten Irrtümer übers dauerhafte Reisen im Wohnmobil
Nachteil Nr. 2: Immer zu Gast
Wo immer du hinreist, du bist immer nur Gast. Stehst du auf Campingplätzen, musst du dich an die dortigen Regeln halten, wenn du bleiben willst. Stehst du frei, was vielerorts zwar geduldet wird, aber nicht unbedingt gestattet ist, musst du auch immer schauen, dass du nicht doof auffällst, wenn du bleiben willst.
Du bist einfach nur Gast und es gibt selten das Tor, das du zuhauen kannst, wenn du mal die Welt ausschließen möchtest. Hast du andere Vanlifer als Nachbarn? Die bekommen alles mit, denn du hast so gut wie keine Privatsphäre und das kann sehr an den Nerven zehren.
Tipp: Reise in weniger begehrte Länder (da gibt’s sowieso meist viel mehr zu sehen) und spare dir den Stress auf der Suche nach einem schönen Platz am Meer wie in Spanien oder Portugal.
Nachteil Nr. 3: Morgens und abends umbauen
Ein anstrengender Tag ist geht zu Ende und ihr wollt nur noch ins Bett fallen. Doch der Tisch steht noch voll mit den Resten vom Abendessen und jetzt ist erstmal aufräumen und Bett umbauen angesagt. Nervig! Je nach Fahrzeug und Platz, musst du nämlich jeden Abend und jeden Morgen dein Bett umbauen. Gerade wenn du wie wir von unterwegs arbeitest, möchtest du vielleicht die frühen Morgen- oder die späten Abendstunden für ein wenig Arbeit nutzen, aber da sind die Kids im Bett, kein Tisch vorhanden und du weißt nicht, wohin mit dir.
Tipp: Schaffe dir wirklich ein Fahrzeug an, in dem du nicht jeden Abend und jeden Morgen mühevoll umbauen musst. Das erspart dir Zeit und vor allem Nerven!
Nachteil Nr. 4: Regentage oder andere „Extreme“…
… kommen direkt aus der Hölle! Na gut, wenn sie nur vereinzelt stattfinden, kann man es sich auch richtig gemütlich drinnen machen, wenn’s mal wieder richtig schüttet, aber wenn du mal zur falschen Zeit in der falschen Gegend bist und nicht direkt der Sonne hinterher fahren kannst, geht’s los.
Achte ganz besonders auf genügend Bewegung trotz des Regens, denn das viele Sitzen und Liegen ist wahrlich nicht gesund (Hallo Thrombose!). Hast du eigentlich auch an genügend Beschäftigungen für die Kids gedacht, wenn sie tagelang nur kurz mal draußen spielen können? Mir hilft es, diese Tage lockerer anzugehen und auf Gemütlichkeit zu setzen, um eine möglichst entspannte Stimmung beizubehalten.
Auch an richtig heißen Tagen kann dir genau das selbe passieren, wenn dein Womo oder Van durch Klima oder Lüftung einfach viel kühler ist als die Temperatur draußen. So schnell hockt man mit kurzen Hosen im Fahrzeug bei bestem Wetter.
Nachteil Nr. 5: Asphalt Camping
All die schönen Spots und Plätze, die du in Social Media siehst. Pustekuchen! Du wirst nicht jede Nacht mit traumhafter Aussicht in der Natur verbringen. Öfter als dir lieb ist, wirst du mit deinem Fahrzeug auf Asphalt stehen.
Du glaubst mir nicht? Gerade nicht so geländegängige Fahrzeuge sollten sich bei Schietwetter nicht zu nah an den Matsch stellen und stehen auf Parkplätzen einfach besser. Oft stehst du auch auf Besucherparkplätzen von dieser oder jener Sehenswürdigkeit und willst am Abend nach einem langen Tag nicht erst noch einen geeigneten Platz suchen.
Besuchst du gerne Städte? Auch hier winkt schon der Parkplatz, auf dem du die Nacht verbringen wirst. Und Überraschung: Die meisten Campingplätze oder Stellplätze sind doof gelegen, eng und alles andere als schön. Und wenn sie es sind, sind sie oft das viele Geld nicht wert. (s. Beitragsbild)
Tipp: Spar dir gleich den Platz und das Gewicht und pack keine sperrigen und schweren Campingstühle- und Tische ein. Du hast als Freisteher selten die Möglichkeit, diese tatsächlich zu nutzen.
Nachteil Nr. 6: Müll
Wo wir grad bei schöner Aussicht in der Natur sind: Sehr wahrscheinlich bist du nicht der einzige Mensch, der diesen tollen Spot entdeckt hat und andere waren schon sichtbarerweise vor dir da. Oder die Müllentsorgung ist einfach ein sichtbares Problem an diesem Ort (Müllentsorgung ist auch in Deutschland ein Problem, allerdings ist es nicht für die Öffentlichkeit so sichtbar wie in manch anderen Ländern. Deutsche sind halt gut im Verschleiern von Tatsachen…).
Pack also ein paar Mülltüten (besser: wiederverwendbare Jutebeutel!) ein und verlasse jeden Platz sauberer als du ihn vorgefunden hast. Die perfekte Gelegenheit, um mit deinen Kids über Müll, Plastik und Nachhaltigkeit zu sprechen und sie zu ermuntern mit dir zusammen Müll zu sammeln. Not my trash, but my planet!
Tipp: Wie bei mir Nachhaltigkeit im Camper aussieht, liest du hier: 7+ Rezepte um sich nachhaltig, gesund und minimalistisch zu pflegen
Nachteil Nr. 7: Behörden
Du ziehst ins Wohnmobil, meldest dich aus Deutschland ab und zack flattern auch schon die ersten Behördenbriefe rein. Alles, was du nicht vor deinem Umzug klären konntest, musst du nun aus dem Fahrzeug heraus klären. Die Familienkasse stellt das Kindergeld ein? Das Finanzamt hat deine Steuerklasse verändert? Stell dich auf Telefonate, eMails und Briefe mit oft desinteressierten Sachbearbeitern ein.
Tipp: Wie du mit Behörden leichter kommunizierst, liest du hier: Der Gamechanger zum Verhalten im Umgang mit Behörden und Beamten & 4 wichtige Tipps, die bei der Abmeldung aus Deutschland hilfreich sind)
Nachteil Nr. 8: Reparaturen
Kaum läuft die Wasserpumpe wieder, will die Heizung nicht mehr. Oder die Batterie schwächelt, du hast einen großen Steinschlag oder kommst einfach nicht mehr vom Fleck, weil absolut nichts mehr geht. Irgendwas ist immer. Nach der Reparatur ist vor der Reparatur.
Dadurch, dass du in deinem Fahrzeug nicht nur 2-3 Wochen im Jahr wohnst, sondern deutlich länger, hast du einen viel größeren Verschleiß am Aufbau, also deiner Wohnkabine, als durchschnittliche Camper. Auch dein Fahrzeug selbst wird genutzt und will dementsprechend von dir gehegt und gepflegt werden.
Nachteil Nr. 9: Waschen
Nein, du musst nicht stinken. Je nachdem, wie deine Hygieneprozedur vor deinem Umzug ins Wohnmobil ausgesehen hat, wird sie sich nun aber trotzdem verändern. Denn: Du hast nur begrenzt Wasser zur Verfügung und lange, warme Duschen finden jetzt nur noch auf Campingplätzen oder in Ferienhäusern statt. Kurze vielleicht auch in deinem Fahrzeug.
Wenn du nicht grad eine Waschmaschine an Bord hast, bist du auf Waschmöglichkeiten wie Waschsalons oder Waschmaschinen auf Campingplätzen oder an Supermärkten angewiesen.
Tipp: Nachhaltig Wäsche waschen unterwegs.
Aber auch mit Waschmaschine an Bord wirst du nicht wie gewohnt einfach täglich eine Maschine anwerfen, weil dir dafür nicht unbegrenzt Strom und Wasser zur Verfügung steht (beides hab ich erst im Wohnmobil zu schätzen gelernt). Du wirst deine Klamotten länger tragen bis sie gewaschen werden, denn du hast vermutlich aus Platzgründen auch keinen fetten Kleiderschrank dabei.
Nachteil Nr. 10: Haltbarkeit der Klamotten
Insbesondere die Klamotten deiner Kinder sind beim Leben im Wohnmobil viel schneller durch, weil sie sich viel mehr und länger draußen aufhalten, als die meisten Kinder in Europa. Die heutigen Klamotten werden auf eine Art strapaziert, für die sie nicht mehr gemacht sind. Sie werden häufiger (du hast nicht drölfzig Leggings, Shirts, Hosen dabei pro Kind) und länger (warten auf den nächsten Waschtag) getragen und dabei intensiver (Sand, Unterholz, Bäume als Spielplatz) und zusätzlich noch mehr Stunden am Tag auf diese intensive Art und Weise genutzt.
Klamotten von den üblichen Herstellern sind auf viele Stunden sitzen in der Schule oder in Innenräumen ausgelegt und halten dieser Belastung oft nicht lange stand.
Tipp: Investiere in strapazierfähige Klamotten und vermeide Jogginghosen und Leggings bei deinen Kids, wenn sie damit viel draußen sind.
Nachteil Nr. 11: Kranksein im Van…
… macht keinen Spaß. Okay, macht eh keinen Spaß, aber wenn du mal so krank bist, dass du nicht fahrfähig bist, aber fahren musst, weil du Wasser tanken musst, kann’s schon mal ungemütlich werden. Auch mit 39,5 Grad Fieber bei 40 Grad im Schatten im Van oder Wohnmobil liegen, muss ich noch nochmal erleben. 😉
Tipp: Ganz zu Beginn der Suche nach einem passenden Fahrzeug, habe ich einen wertvollen Hinweis bekommen, den ich dir hier weitergeben möchte: Achte darauf, dass du im Bett aufrecht sitzen kannst. Magendarm in einem Bett, in dem du dich zum Übergeben nicht aufsetzen kannst, macht es nur noch schlimmer. Erprobt und für hilfreich befunden!
Nachteil Nr. 12: Sand im Bett
Sand in allen Ritzen und Falten deines Wohnmobils wird dein Standard, wenn du Strände liebst (selbst ohne Strand ziehst du Sand an). Was eigentlich ein “Luxus-Problem” des Vanlife ist, kann auch echt anfangen zu nerven. Wenn du vorher alle paar Tage deine Wohnung oder dein Haus gesaugt hast, wirst du dich jetzt an das tägliche Fegen/Saugen gewöhnen. Viel Sand auf wenig Raum = Sandkiste.
Tipp: Habe keinen. Gegen Sand bist du machtlos.
Nachteil Nr. 13: Pflanzen
Ich liebe Pflanzen und plane für mein nächstes Fahrzeug (in unserer Wendy war sowas vom Vorbesitzer nicht eingeplant) schon eine Möglichkeit, wie ich möglichst viel Grünzeug gut und sicher mitnehmen kann. Doch nicht jede Pflanze mag die ständig wechselnden Lichtverhältnisse, das Geruckel bei der Fahrt oder gar wechselhafte Wasserqualität.
Überleg dir vorher, welche Pflanzen du mit an Bord nimmst, was sie brauchen und finde einen Platz für sie, der ihnen am ehesten entspricht. Überleg dir auch, wie du für gleichbleibende und gute Wasserqualität sorgen kannst (nicht nur für deine Pflanzen. Eine Umkehrosmoseanlage ist da keine schlechte Anschaffung.
Tipp: Achte besonders auf Einreisebestimmungen von bestimmten Pflanzenarten in verschiedenen Ländern.
Nachteil Nr. 14: Dein Klo
Du kümmerst dich wie bei Windelfrei nicht nur darum, was in deinen Körper hineingeht, sondern auch, was wieder unten herauskommt. Dein Morgengeschäft wird nicht einfach von eine Welle Wasser auf Kopfdruck weggeschwemmt auf Nimmerwiedersehen.
Nope. Es gibt ein Wiedersehen.
Spätestens dann, wenn du deine Kassette leeren musst (beim Chemieklo) oder deine TTT (Trockentrenntoilette) nach einem frischen Beutel verlangt. Hello again! Kannst du dich mit diesem Gedanken nicht anfreunden, solltest du deine Vanlife Wahl nochmal überdenken. 😀
Tipp: Eine Trockentrenntoilette lässt sich meiner Erfahrung nach überall und vor allem sauberer entleeren. Spare nicht am falschen Ende. 😀
Fazit
So schön das Vanlife oder Leben im Wohnmobil auch sein kann, es hat rein gar nichts mit dem, was du in erster Linie in den sozialen Medien serviert bekommst, zu tun. Auch mit all den aufgezählten Nachteilen würde ich mich immer wieder dafür entscheiden, denn auf meiner persönlichen Pro & Kontra Liste überwiegen die Vorteile ganz klar!
Welchen dieser Punkte hast du vorher schon erahnt und welchen hättest du gern vorher gewusst? Kennst du noch mehr Punkte, die angehende Vanlifer unbedingt wissen sollten?
Hallo Hanna,
vielen lieben Dank für diesen Beitrag!
Ich habe eine einfache Frage zu # 10:
Was verstehst du unter strapazierfähigen Klamotten, hast du mir ein paar Beispiele, was deine Kids tragen?
Vielen herzlichen Dank für deine Antwort!
LG Daniel
Hey Daniel,
ich sag mal so… Leggins und alles, was so strechig oder dünn ist, ist nach weniger als 24h im Pinienwald durch. Kleidung, in der sich die Kids gut bewegen können und die nicht bei jedem Ästchen direkt einreist, ist da schon was wert. Habe das Gefühl, dass die Klamotten, die man heutzutage so in den üblichen Geschäften bekommt, alle nicht mehr für Kinder gemacht sind, die draußen spielen, sondern eher für Kinder, die sich größtenteils ruhig drinnen aufhalten.:D